BGH: Kein Ausschluss des Versorgungsausgleichs trotz kurzen Zusammenlebens

Der Versorgungsausgleich – die Aufteilung der Anwartschaften für die Altersversorgung – ist im Rahmen einer Ehescheidung auch nach außerordentlich kurzem Zusammenleben der Eheleute durchzuführen, wenn der ausgleichsberechtigte Ehegatte in der Trennungszeit gemeinsame Kinder betreut hat. Dies entschied der Bundesgerichtshof in einem nun veröffentlichten Beschluss vom 28. September 2005.  

Die Eheleute hatten 1981 geheiratet, kurz bevor im Jahr 1982 die gemeinsame Tochter geboren wurde. Sie lebten lediglich einige Tage im Dezember 1981 zusammen, der Scheidungsantrag wurde allerdings erst im Jahr 1994 gestellt. Im Rahmen des Scheidungsverfahrens hatte das Amtsgericht Offenbach den Versorgungsausgleich geregelt: Für die Ehefrau wurden zu Lasten des Ehemannes Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung begründet. Der Ehemann legte gegen diese Entscheidung Beschwerde ein mit dem Ziel, den Versorgungsausgleich auszuschließen. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main wies die Beschwerde zurück; der BGH bestätigte nun die Auffassung des Oberlandesgerichts:

Die Voraussetzungen für einen Ausschluss oder eine Herabsetzung des Versorgungsausgleichs gem. § 1587 c Nr. 1 BGB seien nicht gegeben, wenn der ausgleichsberechtigte Ehegatte ein gemeinschaftliches Kind betreut und infolgedessen seine Erwerbstätigkeit eingeschränkt hat. In diesen Fällen sei die Durchführung des Versorgungsausgleichs sogar dann gerechtfertigt, wenn die Ehegatten nie eine Lebens- und Versorgungsgemeinschaft gebildet hatten.

Um unbillige Ergebnisse zu verhindern, kann der Versorgungsausgleich nach § 1587 c BGB ausgeschlossen oder beschränkt werden. Voraussetzung dieser sog. negativen Härteklausel ist, dass besonderer Verhältnisse vorliegen, die der starren Schematisierung der Ausgleichsregelungen widersprechen. Solche besonderen Umstände nimmt der Bundesgerichtshof etwa an, wenn eine eheliche Lebensgemeinschaft wegen eines außergewöhnlich kurzen Zusammenlebens der Eheleute nicht entstanden ist oder durch eine lange Trennung der Ehegatten aufgehoben wurde (so bereits Urteil vom 24.06.1981, Az. - IV b ZR 513/80 -; Beschluss vom 15.02.1984, Az. - IV b ZB 577/80 -, Beschluss vom 12.12.1984, Az. - IV b ZB 928/80 -, Beschluss vom 19.05.2004, Az. – XII ZB 14/03 -). Grund dieser Einschränkungen ist, dass im Rahmen des Versorgungsausgleichs die Rentenanwartschaften der Eheleute aufgeteilt werden, die sie bis zum Zeitpunkt des Scheidungsantrags erworben haben; eine lange Trennungszeit führt zur Verlängerung des maßgeblichen Zeitraums und ist daher vorteilhaft für den Ausgleichsberechtigten.

Der jetzigen Entscheidung liegt die ständige Rechtsprechung des Senats zugrunde, der im Rahmen einer Billigkeitsabwägung bei der Beurteilung des Trennungszeitraums diejenigen Zeiten nicht berücksichtigt, in denen der ausgleichsberechtigte Ehegatte gemeinschaftliche Kinder betreut hat; die Eheleute werden so behandelt, als hätten sie während dieses Zeitraums zusammengelebt (so bereits BGH, Beschluss vom 12.11.1980, Az. - IV b ZB 503/80 -, Beschluss vom 12.12.1984, Az. - IV b ZB 928/80 -).

Nach Auffassung des Bundesgerichtshofs wird der Versorgungsausgleich in diesen Fällen zwar nicht dadurch legitimiert, dass die Eheleute gemeinsam den „Aufbau einer Alterssicherung als Lebensleistung der ehelichen Gemeinschaft“ erstrebt haben; allerdings habe der ausgleichsberechtigte Ehegatte „mit der Pflege und Erziehung gemeinschaftlicher Kinder auch ohne eine gemeinsame Lebensführung mit dem anderen Ehegatten eine der wesentlichen aus der Ehe herrührenden Aufgaben allein übernommen“. Er dürfe darauf vertrauen, an den in dieser Zeit von dem anderen Ehegatten erwirtschafteten Versorgungswerten im Rahmen des Versorgungsausgleichs teilzuhaben.

Der Ehemann stützte seine Beschwerde des Weiteren auf ein persönliches Fehlverhalten der Ehefrau: Sie hatte die eheliche Lebensgemeinschaft schon nach wenigen Tagen des Zusammenlebens beendet und dem Ehemann später gedroht, sie werde sich und das Kind umbringen, wenn er die Scheidung einreiche. Auch darin sieht der Bundesgerichtshof keinen Härtegrund im Sinne des § 1587 c BGB. Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass ein zur Trennung führendes Fehlverhalten des Ausgleichsberechtigten allenfalls als Abwägungskriterium bedeutsam werden kann. Die Drohung der Ehefrau war nach Ansicht des Bundesgerichtshofs nicht als besonders schwerwiegend zu beurteilen; die Ehefrau habe sich in einer physischen Notlage befunden.

Der Bundesgerichtshof stellte mit dieser Entscheidung klar, dass der Versorgungsausgleich auch dann durchzuführen ist, wenn die Eheleute lediglich wenige Tage eine eheliche Lebensgemeinschaft bildeten, ein Ehepartner jedoch während der Ehezeit das gemeinsame Kind betreute. Er grenzte damit die Anwendung der Härteklausel des § 1587 c BGB ein, die in Fällen kurzen Zusammenlebens und langer Trennungszeit der Eheleute zum Ausschluss des Versorgungsausgleichs führen kann.

Verfasserin: Rechtsanwältin Dr. Annette Wittmütz