Bundesgerichtshof: Ein gerichtliches Abstammungsgutachten zur Feststellung der Vaterschaft kann auch dann verwertet werden, wenn es nicht hätte eingeholt werden dürfen

Mit Urteil vom 12. Januar 2005 hatte der Bundesgerichtshof unter dem Az. XII ZR 227/03 entschieden, dass eine heimlich eingeholte DNA-Analyse im Vaterschaftsanfechtungsverfahren nicht verwertet werden darf. Nun entschied der für Familiensachen zuständige 12. Senat in einem noch nicht veröffentlichten Urteil vom 1. März 2006 allerdings, dass das Ergebnis einer gerichtlichen Beweisaufnahme, dessen Anordnung auf einem heimlich vorgenommenen Test beruht, nicht schon deshalb unverwertbar sei, weil der Beweis nach der jetzigen Rechtsprechung nicht hätte erhoben werden dürfen. Ein solches übergreifendes - in der Zivilprozessordnung nicht vorgesehenes - Verwertungsverbot komme allenfalls dann in Betracht, wenn die Einholung oder Verwertung des gerichtlichen Gutachtens einen erneuten Eingriff in die Grundrechte des Kindes bedeute.

Dieser Entscheidung lag folgender Fall zugrunde: Das Oberlandesgericht hatte im Jahr 2004 ein Blutgruppengutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen angeordnet, demzufolge die Vaterschaft des Klägers ausgeschlossen war. Es hatte daraufhin der Klage stattgegeben und festgestellt, dass der Kläger nicht der Vater sei. Gegen dieses Urteil wendete sich das Kind mit der Begründung, die damalige Klage sei auf eine ohne Zustimmung des Kindes bzw. seiner allein sorgeberechtigten Mutter eingeholte sog. DNA-Vaterschaftsanalyse gestützt worden.

Eine Vaterschaftsanfechtungsklage ist nur dann zulässig, wenn ein sog. Anfangsverdacht vorliegt: Es müssen Umstände vorgetragen werden, die bei objektiver Betrachtung geeignet sind, Zweifel an der Abstammung des Kindes von dem als Vater geltenden Kläger zu wecken. Vor Erhebung der Anfechtungsklage hatte der Vater daher heimlich einen DNA-Vaterschaftstest erstellen lassen.

Im Gegensatz zu seinem Urteil vom 12. Januar 2005 gelangte der Bundesgerichtshof nun im Rahmen der Abwägung der Grundrechte beider Parteien zu dem Ergebnis, dass die Rechte des Kindes hinter dem Recht des Klägers auf Kenntnis seiner Vaterschaft zurückstehen mussten. Entscheidend sei unter anderem, dass es sich um die Berücksichtigung eines in einem rechtmäßigen Verfahren eingeholten Abstammungsgutachtens handele, nicht um die Verwertung eines „heimlichen" Vaterschaftstests; das Kind habe zudem im Verfahren die Möglichkeit gehabt, durch ein sog. Zwischenurteil klären zu lassen, ob es sich dem gerichtlich angeordneten Blutgruppengutachten unterziehen müsse. Der Bundesgerichtshof hat damit klargestellt, dass gerichtlich eingeholte DNA-Vaterschaftsanalysen, die auf einem zuvor heimlich erstellten Vaterschaftstest beruhen, durch das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 12. Januar 2005 in der Regel nicht unverwertbar werden.

Verfasserin: Rechtsanwältin Dr. Annette Wittmütz