Bundesgerichtshof zur Unwirksamkeit von Eheverträgen mit Unterhaltsverzicht
Eine 41-jährige Frau begehrte nach der Trennung von ihrem Mann wegen der Betreuung von zwei gemeinsamen Kindern Elementar- sowie Kranken- und Altersvorsorgeunterhalt. Die Parteien hatten vor der Eheschließung im Jahr 1989 in einem notariellen Ehevertrag Gütertrennung vereinbart und für den Fall der Scheidung wechselseitig auf Unterhalt verzichtet.
Das Amtsgericht Mönchengladbach verurteilte den Ehemann, der Antragstellerin trotz des Verzichts Unterhalt in Höhe des notwendigen Eigenbedarfs von damals 1.425,00 DM zu zahlen; der weitergehende Antrag auf Zahlung von Kranken- und Altersvorsorgeunterhalt wurde abgewiesen. Im anschließenden Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf erkannte der Ehemann die Zahlung von Krankenvorsorgeunterhalt an; den Antrag auf Altersvorsorgeunterhalt wies auch das Oberlandesgericht ab. Der Betreuungsunterhalt solle die Betreuung der Kinder ermöglichen; der vertragliche Unterhaltsausschluss sei lediglich im Hinblick auf diesen grundrechtlich geschützten Anspruch der Kinder zu missbilligen und dementsprechend zu korrigieren. Der Altersvorsorgeunterhalt hingegen betreffe nicht unmittelbar den Anspruch der gemeinsamen Kinder auf Betreuung durch einen Elternteil; der Ehemann könne sich daher wirksam auf den Ausschluss dieses Unterhaltsteils berufen. Hinzu komme, dass die Ehefrau ihre Altersversorgung aufgrund ihres Alters noch weiter auf- und ausbauen könne, wenn sie in einigen Jahren wieder eine Erwerbstätigkeit aufnehme.
Der Bundesgerichtshof hat nun das Urteil des OLG Düsseldorf aufgehoben: Der Nachrang, den der Kranken- und Altersvorsorgeunterhalt in der Rangabstufung der Unterhaltstatbestände habe, könne „dort nicht zum Zuge kommen, wo die Unterhaltspflicht ehebedingte Nachteile ausgleichen soll". Das Unterhaltsrecht strebe eine gleichmäßige Lastenverteilung an; der Vorsorgeunterhalt solle jedoch ebenso wie der Elementarunterhalt ehebedingte Nachteile ausgleichen, die der kinderbetreuende Ehegatte durch die Aufgabe seiner Erwerbstätigkeit erleide. Auch ein noch junger Ehegatte sei „dauerhaft mit der auf die Zeit der Kindesbetreuung entfallenden Versorgungslücke" belastet, so dass das Alter des Unterhalt begehrenden Ehegatten keine Rolle spielen könne.
Der Bundesgerichtshof hat damit klargestellt, dass der Vorsorgeunterhalt ebenso wie der Elementarunterhalt dem Ausgleich wirtschaftlicher Einbußen dient, die dem kinderbetreuenden Ehepartner durch die Aufgabe seiner Erwerbstätigkeit entstehen; nach dem Grundsatz der ehelichen Solidarität muss der andere Ehegatte diese Nachteile mit tragen.
Nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) wurde der Ehefrau daher trotz des vertraglich vereinbarten Unterhaltsverzichts nicht nur Elementarunterhalt, sondern auch Unterhalt für die Vorsorge zugesprochen. Als Maßstab für den Ausgleich des ehebedingten Versorgungsausgleichs zieht der Bundesgerichtshof die Höhe der Rentenanwartschaften heran, die die Ehefrau bei Weiterführung ihrer Erwerbstätigkeit erworben hätte.
Dieses Urteil knüpft an die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 11.02.2004 an, mit der der Senat Grundsätze für die Inhaltskontrolle von Eheverträgen aufgestellt hatte: Der Richter hat danach zunächst im Rahmen einer Wirksamkeitskontrolle zu prüfen, ob bei Vertragsschluss eine Zwangslage des benachteiligten Ehepartners vorlag, die ihn daran hinderte, auf den Abschluss und den Inhalt des Ehevertrages Einfluss zu nehmen, der offenkundig zu einer einseitigen Lastenverteilung für den Scheidungsfall führt. Eine solche Zwangslage wurde bisher vor allem dann angenommen, wenn die Ehefrau bei Abschluss des Vertrages kurz vor Eheschließung hochschwanger war. Hält die vertragliche Vereinbarung dieser Wirksamkeitsprüfung Stand, ist in einem zweiten Schritt eine Ausübungskontrolle erforderlich; diese Prüfung stellt auf den Zeitpunkt ab, in dem sich einer der Ehepartner auf die Regelung beruft. Nach dem Grundsatz von Treu und Glauben ist es dem Ehegatten verwehrt, sich auf die vertragliche Vereinbarung zu berufen, wenn ihr Ergebnis - etwa wegen einer grundlegenden Veränderung der gemeinsamen Lebensumstände - mit dem Gebot ehelicher Solidarität ganz und gar unvereinbar ist. Insbesondere kann man sich danach auf den Unterhaltsverzicht nicht berufen, wenn beide Ehepartner bei Vertragsschluss geplant hatten, keine Kinder zu
Der Bundesgerichtshof stellte im Rahmen seiner Entscheidung aus dem Jahr 2004 eine Art Rangabstufung der einzelnen Scheidungsfolgen auf: Je umfangreicher die vertraglichen Vereinbarungen in den Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts eingreifen, umso genauer sind sie zu prüfen und ggf. zu korrigieren. Zum Kernbereich der Scheidungsfolgen gehört danach vorrangig der Unterhalt, den ein Ehepartner für die Betreuung gemeinsamer Kinder verlangen kann. Wird die Unterhaltspflicht für diese Fälle ausgeschlossen, hat eine genaue Überprüfung der Gesamtumstände zu erfolgen. Sofern der Richter zu dem Ergebnis kommt, dass die vertragliche Vereinbarung mit dem jeweiligen Schutzzweck der gesetzlichen Regelung nicht zu vereinbaren ist, hat er den Ehevertrag entsprechend zu korrigieren bzw. anzupassen.
Mit dem Urteil vom 26. Juli 2005 hat der Bundesgerichtshof seine Rechtsprechung zur Inhaltskontrolle von Eheverträgen fortgeführt: der Betreuungsunterhalt umfasst als Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts den Kranken- und Altersvorsorgeunterhalt, soweit die Unterhaltspflicht ehebedingte Nachteile betrifft. Dies bedeutet, dass der kinderbetreuende Ehepartner trotz eines Verzichts auf Betreuungsunterhalt in der Regel nicht nur den Elementarunterhalt, sondern auch Unterhalt für die Kranken- und Altersvorsorge verlangen kann.