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Folgen des Verzichts auf ein Nießbrauchrecht
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- Geschrieben von: Rechtsanwältin Dr. Annette Wittmütz
Der Verzicht auf ein Nießbrauchrecht stellt eine Schenkung dar, die bei Verarmung des Schenkers herausverlangt werden kann
Dies entschied das OLG Köln mit Beschluss vom 09.03.2017 - Az. 7 U 119/16 - und stellte damit klar, dass der Verzicht auf ein Nießbrauchrecht – anders als der Verzicht auf ein Wohnrecht - eine herausgabepflichtige Schenkung darstellt.
Der Fall:
Die Mutter hatte ihrem Sohn 1995 das von ihr bewohnte Hausgrundstück geschenkt und sich ein lebenslanges Nießbrauchrecht vorbehalten. Nachdem sie im Jahr 2007 in vollstationäre Pflege kam bewilligte sie kurz darauf die Löschung des Nießbrauchrechts, ohne Gegenleistung. Der Sohn veräußerte die Immobilie sodann zu einem Preis von 95.000,00 €.
Die Mutter ist seit 2008 in einem Pflegeheim, die Kosten werden aufgrund ihrer Mittellosigkeit vom Sozialhilfeträger getragen. Er verlangte vom Sohn die Herausgabe des Wertzuwachses des unbelasteten Grundstücks als Ersatz von Kosten für die Heimunterbringung.
Die Entscheidung:
Das OLG Köln stellte klar, dass auch ein Verzicht auf ein Recht eine Schenkung darstellt, die bei Verarmung heraus verlangt werden kann, sofern sie zu einem Vermögenszuwachs beim Beschenkten und einer Verminderung des Vermögens beim Schenker führt. Zwar ist ein Nießbrauch in der Regel auch mit Belastungen verbunden; das OLG sah jedoch in der Möglichkeit der Nutzungsziehung und Vermietung einen objektiven Vermögenswert, der – anders als im Fall des Wohnrechts - auch nach Auszug der Mutter weiterhin ihr Vermögen mehrte und bejahte daher die Schenkung.
Schenkungen können bei Verarmung des Schenkers zurück gefordert werden. Kommt der Sozialhilfeträger für Heimkosten auf, geht dieser Rückforderungsanspruch auf ihn über.
Das OLG verurteilte somit den Sohn zur Zahlung des Nießbrauchwertes an den Sozialhilfeträger.
Praxistipp:
Schenkung des Eigenheims an die Kinder unter Vorbehalt eines unentgeltlichen oder teil-unentgeltlichen Nießbrauchrechts sind in der Praxis gängige Gestaltungsmethode, u.a., um die schenkungs- und erbschaftssteuerlichen Freibeträge bestmöglich zu nutzen. Ziehen Eltern in ein Heim sollten stets sämtliche möglichen Konsequenzen berücksichtigt werden.
Notarielles Nachlassverzeichnis, um lebzeitige Zuwendungen zu ermitteln
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- Geschrieben von: Rechtsanwältin Dr. Annette Wittmütz
Jeder Pflichtteilsberechtigte hat das Recht, ein Nachlassverzeichnis über den Bestand des Nachlasses im Zeitpunkt des Erbfalls zu erhalten. Zur Auskunft verpflichtet ist der Erbe / sind die Erben; der Berechtigte kann jedoch darauf bestehen, dass das Verzeichnis durch einen Notar erstellt wird, auch wenn der Erbe der Verpflichtung nachkommt. Die Kosten des Notars sind aus dem Nachlass zu bestreiten, so dass sie den Pflichtteilsberechtigten lediglich mit seiner Quote treffen: Je geringer diese Quote ist, desto kleiner ist demnach der Anteil der Notarkosten, die der Pflichtteilsberechtigte zu tragen hat.
Das OLG Koblenz entschied nun in seinem nun veröffentlichten Urteil vom 18.03.2014, Az. 2 W 495/13, dass der Notar bei entsprechenden Anhaltspunkten auch z.B. die Kontoauszüge des Erblassers für den entsprechenden Zeitraum (in der Regel mindestens 10 Jahre) zu prüfen hat, um mögliche ergänzungspflichtige lebzeitige Schenkungen des Erblassers zu ermitteln.
Ergänzungspflichtig sind alle unentgeltlichen Zuwendungen, die der Erblasser in den letzten 10 Jahren vor seinem Tod getätigt hat. Bei Schenkungen an den Ehegatten sind in der Regel sogar sämtliche Schenkungen während der Ehezeit ergänzungspflichtig – was in der Praxis häufig an der mangelnden Beweisbarkeit scheitern dürfte, da bei den Banken Kontoauszüge lediglich für einen zurück liegenden Zeitraum von 10 Jahren abrufbar sind. Der Pflichtteilsberechtigte kann von dem Wert dieser Schenkungen entsprechend seiner Quote eine sog. Ergänzung verlangen.
Er hat gegenüber dem / den Erben einen Anspruch auf Auskunft bezüglich Nachlass und ergänzungspflichtigen Schenkungen. Er kann verlangen, dass der Erbe die Richtigkeit und Vollständigkeit an Eides statt versichert. Dennoch bleiben oftmals Zweifel, denen er mit der Beauftragung eines Notars begegnen kann.
Wird ein Notar mit der Erstellung eines Nachlassverzeichnisses beauftragt, so hat dieser bei entsprechenden Anhaltspunkten nun nicht mehr nur den Bestand des Nachlasses aufzunehmen, sondern darüber hinaus mögliche ergänzungspflichtige Schenkungen zu erforschen. Dazu hat er ggf. sämtliche Kontoauszüge von Konten und Sparbüchern für einen 10-Jahres-Zeitraum durch zu sehen und mittels einer Vollmacht des Erben Bankverbindungen aus diesem Zeitraum zu ermitteln. Er hat daneben eigene Ermittlungen anzustellen, bei Veranlassung wird er etwa ein Wertgutachten einholen lassen oder ein solches Gutachten auf Plausibilität überprüfen.
Für die Praxis:
Der Berechtigte hat zwar einen Anspruch darauf, dass der Erbe seine Angaben an Eides statt versichert; oftmals werden jedoch Zweifel bleiben an der Auskunft des Erben, insbesondere an seinen Angaben bezüglich lebzeitiger Schenkungen des Erblassers. Für ihn bedeutet die Möglichkeit, einen Notar zu beauftragen, einen höheren Grad an Vertrauen in die Richtigkeit und Vollständigkeit der Auskunft. Da sich die Kostenbeteiligung nach der Quote des Pflichtteils richten kann sich diese Investition lohnen – auch wenn es im Ergebnis u.U. nur darum geht, mehr Gewissheit zu haben.
Erhöhung des Eigenbedarfs für Unterhaltspflichtige zum 01.01.2015
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- Geschrieben von: Rechtsanwältin Dr. Annette Wittmütz
Erhöhung der Eigenbedarfsbeträge für Unterhaltspflichtige
Zum 01.01.2015 haben sich die Eigenbedarfssätze, d.h. die Beträge, die einem Unterhaltspflichtigen monatlich verbleiben sollten, erhöht. Dementsprechend sind auch die sog. Bedarfskontrollbeträge der Düsseldorfer Tabelle, die als Richtlinie für die Bemessung des Kindesunterhalts dient, angepasst worden (siehe angehängte Tabelle).
Der Eigenbedarf gegenüber minderjährigen und volljährigen Kindern, die eine allgemeinbildende Schule besuchen, wurde von 1.000,00 € auf 1.080,00 € angehoben; sofern der Unterhaltspflichtige nicht erwerbstätig ist beträgt er nun 880,00 €.
Gegenüber sonstigen volljährigen Kindern, die noch einen Unterhaltsanspruch haben, wurde der Eigenbedarf von 1.200,00 € auf 1.300,00 € angehoben; gegenüber einem nachrangigen geschiedenen Ehegatten von 1.100,00 € auf 1.200,00 €. Die größte Erhöhung fand statt bei der Unterhaltspflicht gegenüber Eltern: Hier wurde der Eigenbedarf von 1.600,00 € auf 1.800,00 € erhöht.
Bei Unterhaltspflichtigen, die zuvor nur ihren sog. Selbstbehalt zur Verfügung hatten, ist der Unterhalt ab Januar 2015 entsprechend zu verringern.
Düsseldorfer Tabelle ab 01.01.2015
|
|
0 - 5 |
6 - 11 |
12 - 17 |
ab 18 |
% |
Bedarfs-Kontroll-betrag |
Alle Beträge in Euro (€) |
|||||||
1. |
bis 1500 |
317 |
364 |
426 |
488 |
100 |
880/1080 |
2. |
1.501 – 1.900 |
333 |
383 |
448 |
513 |
105 |
1.180 |
3. |
1.901 – 2.300 |
349 |
401 |
469 |
537 |
110 |
1.280 |
4. |
2.301 – 2.700 |
365 |
419 |
490 |
562 |
115 |
1.380 |
5. |
2.701 – 3.100 |
381 |
437 |
512 |
586 |
120 |
1.480 |
6. |
3.101 – 3.500 |
406 |
466 |
546 |
625 |
128 |
1.580 |
7. |
3.501 – 3.900 |
432 |
496 |
580 |
664 |
136 |
1.680 |
8. |
3.901 – 4.300 |
457 |
525 |
614 |
703 |
144 |
1.780 |
9. |
4.301 – 4.700 |
482 |
554 |
648 |
742 |
152 |
1.880 |
10. |
4.701 – 5.100 |
508 |
583 |
682 |
781 |
160 |
1.980 |
|
ab 5.101 |
nach den Umständen des Falles |
|
mit Kindergeldanrechnung nach § 1612 b Abs. 5 BGB
Einkommensgruppe |
0 - 5 |
6 - 11 |
12 - 17 |
ab 18 |
% |
|
|
1. |
bis 1500 |
225 |
272 |
334 |
304 |
100 |
880/1080 |
2. |
1.501 – 1.900 |
241 |
291 |
356 |
329 |
105 |
1.180 |
3. |
1.901 – 2.300 |
257 |
309 |
377 |
353 |
110 |
1.280 |
4. |
2.301 – 2.700 |
273 |
327 |
398 |
378 |
115 |
1.380 |
5. |
2.701 – 3.100 |
289 |
345 |
420 |
402 |
120 |
1.480 |
6. |
3.101 – 3.500 |
314 |
374 |
454 |
441 |
128 |
1.580 |
7. |
3.501 – 3.900 |
340 |
404 |
488 |
480 |
136 |
1.680 |
8. |
3.901 – 4.300 |
365 |
433 |
522 |
519 |
144 |
1.780 |
9. |
4.301 – 4.700 |
390 |
462 |
556 |
558 |
152 |
1.880 |
10. |
4.701 – 5.100 |
416 |
491 |
590 |
597 |
160 |
1.980 |
Übertragung einer Immobilie gegen Pflegeverpflichtung und Wohnrecht
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- Geschrieben von: Rechtsanwältin Dr. Annette Wittmütz
Zur Rechtslage nach Auszug in ein Pflegeheim bei Vereinbarung einer Pflegeverpflichtung und eines Wohnrechts als Gegenleistung für die Übertragung einer Immobilie
Das OLG Brandenburg behandelte den in der Praxis sehr häufig vorkommenden Fall, in dem eine Immobilie übertragen und als Gegenleistung ein sog. Altengedinge vereinbart wurde, welches hiersowohl ein unentgeltliches Wohnrecht und die Beköstigung des Übertragenden als auch häusliche Dienste und Pflege beinhaltete. Nachdem der Übertragende in ein Pflegeheim gezogen war, stritten sie bzw. die Erben des Übertragenden über das Wohnrecht.
Das OLG stellte mit Urteil vom 19.12.2013, Az. 5 U 32/11, welches nun veröffentlicht wurde, zunächst – entsprechend der Rechtsprechung des BGH - klar, dass eine ergänzende Vertragsauslegung geboten sei, wenn der Wohnrechtsinhaber nach einem Einzug in ein Pflegeheim an der Ausübung seines Wohnrechts gehindert ist, sofern und soweit dazu im Vertrag zwischen den Parteien nichts geregelt wurde.
Im hier entschiedenen Fall war zwar im Vertrag der Fall bedacht worden, dass der Übertragende sich in einem Krankenhaus oder Pflegeheim aufhält, allerdings nur im Hinblick auf die Pflegeverpflichtung, die sodann ersatzlos entfallen sollte. Das Wohnrecht hingegen war im Vertrag für diesen Fall nicht angesprochen worden.
Das OLG stellte im Rahmen der erforderlichen ergänzenden Vertragsauslegung auf den Zweck des Vertrages ab: Der Übertragende sollte nach Auffassung des OLG eine Absicherung für das Alter erhalten, in deren Rahmen das Wohnrecht einen wesentlichen Teil darstellte. Vor diesem Hintergrund nahm es an, dass er das Wohnrecht für den Fall eines Aufenthalts in einem Pflegeheim dem Beschenkten nicht unentgeltlich überlassen wollte, sondern dass ihm der Wert der Gebrauchsvorteile erstattet werden sollte, und schützte damit die Interessen des Übertragenden.
In diesem Zusammenhang stellte das Gericht zudem klar, dass die fehlende Vereinbarung eines Nießbrauchsrechts einer solchen Vertragsauslegung nicht im Wege stehe, da lediglich die „Vorteile der objektiven Gebrauchsmöglichkeit“ zu erstatten seien, nicht hingegen diejenigen Nutzungen, die durch Vermietung zu erzielen gewesen wären.
Ein Nießbrauchsrecht beinhaltet das Recht, sämtliche Nutzungen an einer fremden Sache, hier einer Immobilie, zu ziehen; ein Wohnrecht hingegen räumt dem Inhaber allein die persönliche Nutzung der Räume ein, ohne etwa ein Recht zur Vermietung zu begründen.
Für die Praxis:
Die Entscheidung ist für die Praxis äußerst relevant; sehr häufig werden Immobilien übertragen gegen Einräumung eines sog. Altenrechts, Altengedinges, Wohnrechts, einer Pflegeverpflichtung, etc. Hier sollte stets der Fall eines Aufenthalts des Übertragenden in einem Krankenhaus / Pflegeheim oder des krankheitsbedingten Umzugs in eine andere Wohnung bedacht und entsprechende lückenlose Vereinbarungen getroffen werden, um Klarheit für alle Beteiligten zu schaffen. Bestehende Verträge sollten daraufhin überprüft und ggf. ergänzt werden, um spätere Auseinandersetzungen zu vermeiden.
Lebzeitige Verfügungsbefugnis des Erblassers
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- Geschrieben von: Rechtsanwältin Dr. Annette Wittmütz
Das OLG Köln beschäftigte sich in einem Urteil vom 01.04.2014, Az. 3 U 165/13, mit den Voraussetzungen des sog. lebzeitigen Eigeninteresses eines Erblassers, der in einem Erbvertrag oder Ehegattentestament einen Dritten zum Erben eingesetzt hatte.
Ist eine solche Erbeinsetzung in einem Erbvertrag als wechselseitig und bindend anzusehen, ist der Vertragserbe nach der Vorschrift des § 2287 BGB gegen Schenkungen des Erblassers geschützt, sofern kein sog. lebzeitiges Eigeninteresse des Erblassers besteht. Das gleiche gilt für einen Erben, der in einem Ehegattentestament als Erbe des Letztversterbenden eingesetzt wird.
Der Gesetzgeber behandelt in diesen Fällen Schenkungen des Erblassers als missbräuchlich, sofern der Zuwendende kein lebzeitiges Eigeninteresse verfolgt. Ein solches Interesse ist zu bejahen, „wenn nach dem Urteil eines objektiven Beobachters die Verfügung in Anbetracht der gegebenen Umstände auch unter Berücksichtigung der Bindung durch das gemeinschaftliche Testament als billigenswert und gerechtfertigt erscheint“, so das OLG Köln. Der eingesetzte Erbe, der sich gegen die Zuwendung wendet, trägt grundsätzlich die Beweislast für das Fehlen eines solchen Interesses.
Im vorliegenden Fall hatte die Erblasserin das Grundstück, welches ihr wesentliches Vermögen darstellte, weit unter Wert an ihre Tochter veräußert; der Sohn war ebenso wie die Tochter in einem Ehegattentestament als Schlusserbe des letztversterbenden Ehegatten eingesetzt worden.
Das OLG Köln ging davon aus, dass der gegenüber dem Verkehrswert des Grundstücks um nahezu die Hälfte geringere Kaufpreis keine missbräuchliche (Teil-) Schenkung darstellt, da die Tochter sich in dem Übertragungsvertrag darüber hinaus zu persönlichen Zuwendungen und Besorgungen der Angelegenheiten der Mutter bis an ihr Lebensende verpflichtete. Die Erwartung, von einem nahen Angehörigen im Alter begleitet und / oder versorgt zu werden, sei „bereits für sich genommen als starkes persönliches Eigeninteresse eines Erblassers anzusehen“. Hier sei ein subjektiver Bewertungsspielraum zuzugestehen.
Für die Praxis:
Sofern bei einer bindenden Erbeinsetzung in einem Erbvertrag oder Ehegattentestament zu Lebzeiten des Erblassers eine Zuwendung größeren Umfangs erfolgen soll, ist stets das Eigeninteresse zu prüfen. Erfolgt die Übertragung im Gegenzug zu der Verpflichtung, persönliche Leistungen wie Pflege, Besorgungen, etc. zu erbringen, muss diese Verpflichtung wertmäßig nicht dem Wert der Zuwendung entsprechen; der Erblasser darf sich dies „etwas kosten lassen“.