Ein heimlich eingeholter Vaterschaftstest darf im gerichtlichen Verfahren nicht verwertet werden, weil er gegen das Recht des Kindes auf informationelle Selbstbestimmung verstößt. Dies entschied das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom heutigen Tag (Az. 1 BvR 421/05). Der Gesetzgeber hat jedoch ein Verfahren zur Feststellung der Vaterschaft bereitzustellen.

Der zugrunde liegende Fall:

Der Verfassungsbeschwerde lag der Fall einer Vaterschaftsanfechtungsklage zugrunde, die auf einen heimlich eingeholten DNA-Vaterschaftstest gestützt war. Die Zivilgerichte hatten die Verwertung dieses Gutachtens wegen Verletzung der Rechte des Kindes als Beweismittel abgelehnt.

 

Die jetzige Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts:

Das Bundesverfassungsgericht bestätigte nun - wie zuvor bereits der Bundesgerichtshof - diese Rechtsprechung aufgrund des informationellen Selbstbestimmungsrechts des Kindes. Auch das elterliche Sorgerecht der Mutter umfasse den Schutz „vor ungewollten Zugriffen auf das genetische Datenmaterial eines Kindes".

Die derzeitige Gesetzeslage schütze jedoch nicht ausreichend die Rechte des Mannes: Nicht nur das Recht eines Mannes auf Kenntnis der Abstammung des ihm rechtlich zugeordneten Kindes entwachse seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht; auch die Verwirklichung dieses Rechts auf Kenntnis sei von Art. 2 GG umfasst, so der erste Senat des Bundesverfassungsgerichts. Der Gesetzgeber habe es unter Verletzung dieses Grundrechtsschutzes unterlassen, einen Verfahrensweg zu eröffnen, auf dem das Recht auf Kenntnis der Abstammung in angemessener Weise geltend gemacht und durchgesetzt werden kann.

 

Der rechtliche Hintergrund:

Ein gerichtliches Verfahren zur Anfechtung der Vaterschaft ist nach bisheriger Rechtslage nur möglich, wenn der rechtliche Vater objektive Umstände vortragen kann, die gegen seine biologische Vaterschaft sprechen. Erlangt er Kenntnis von derartigen Umständen, muss er das gerichtliche Verfahren innerhalb von zwei Jahren anstrengen. Holt er zu diesem Zweck jedoch heimlich ein DNA-Gutachten ein, kann er es anschließend vor Gericht nicht als Beweis für seine Zweifel an der Vaterschaft heran ziehen, um das Anfechtungsverfahren zu eröffnen. Er muss eine hundertprozentige Zeugungsunfähigkeit vorweisen, um einen Vaterschaftstest gerichtlich zu erzwingen.

Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, besteht bisher lediglich die Möglichkeit, auf privatem Weg mit Einwilligung der Mutter bzw. des Kindes ein Vaterschaftsgutachten einzuholen. Der Mann hat also bei fehlender Einwilligung des Kindes bzw. der sorgeberechtigten Mutter bisher nur unter äußerst strengen Voraussetzungen die Möglichkeit, seine Vaterschaft anzufechten: Er muss - unter Außerachtlassung eines heimlich eingeholten DNA-Tests - stichhaltige Argumente dafür haben, dass er nicht der biologische Vater ist.

 

Die rechtlichen Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts:

Dies sieht das Bundesverfassungsgericht als Verletzung der Rechte des Mannes auf Kenntnis der Abstammung eines Kindes: In den Fällen, in denen Zweifel an der Vaterschaft bestehen, müsse der Gesetzgeber ein Verfahren eröffnen, in dem die Abstammung geklärt werden kann. Damit schränke der Gesetzgeber zwar das Recht des Kindes auf informationelle Selbstbestimmung ein, da mit einem solchen Verfahren zwingend der Zugriff auf die genetischen Daten des Kindes verknüpft sei - da es sich jedoch um Daten handele, „die in Beziehung zu denen des Mannes stehen können, der rechtlicher Vater des Kindes ist", sei das Recht des Kindes, diese Daten nicht preiszugeben, „ihm gegenüber weniger schützenswert". Auch das Recht der Mutter, selbst darüber zu befinden, ob und wem sie Einblick in ihr Geschlechtsleben gebe, müsse hinter dem vorrangigen Ziel der Klärung der Vaterschaft zurück stehen.

Hinzu kommt nach Auffassung des Gerichts, dass es ein gerichtliches Verfahren geben müsse, das auf die bloße Kenntnis der Abstammung eines Kindes gerichtet ist, ohne gleichzeitig die Beendigung der rechtlichen Vaterschaft herbei zu führen. Das Bürgerliche Gesetzbuch sieht derzeit ein Vaterschaftsanfechtungsverfahren vor, das die Vaterschaft beendet, wenn bereits geklärt ist, dass das Kind nicht von seinem rechtlichen Vater abstammt - Ziel dieses Verfahrens ist also die rechtliche Trennung vom Kind.

 

Die Folgen der Entscheidung:

Der Gesetzgeber muss nun bis zum 31. März 2008 ein Verfahren schaffen, das allein auf Feststellung der Vaterschaft gerichtet ist. Dabei hat er dafür zu sorgen, dass das verfassungsrechtlich geschützte Interesse des Kindes, gegebenenfalls seine rechtliche und soziale familiäre Zuordnung zu behalten, auch weiterhin Berücksichtigung findet. Es soll sichergestellt werden, dass die leichter zu erwerbende Kenntnis des rechtlichen Vaters, nicht biologischer Vater zu sein, im Anfechtungsverfahren in bestimmten Fällen nicht sogleich zur Beendigung der rechtlichen Vaterschaft führt.